So, morgen ist Bundesparteitag, um unser Regierungsprogramm final von der Basis abstimmen zu lassen, über hunderte Delegierte, die stellvertretend für die Basis gewählt wurden, diskutieren über das Programm.
Ich fahre auch hin, als Delegierte. Und damit als Sprachrohr für die Basis.
Nun haben wir als SPD letzte Woche unsere Ideen zur Steuerpolitik vorgestellt, ein tolles Konzept, viele richtig gute Ansätze, um spürbar die kleineren und mittleren Einkommen zu entlasten. Sehr gute Arbeit, und auch an die Sozialversicherungsbeiträge gedacht, die viel mehr belasten als die Steuer, denn einen Freibetrag gibt es da nicht, der das Existenzminimum unangetastet lässt, aber durch die Ausgestaltung mit ansteigender Belastung durch Sozialversicherung in den unteren Einkommen wird da jetzt super etwas geschaffen, was man vollen Herzens Entlastung nennen kann. Wenn wir gewählt werden, natürlich.
Aber es gibt ein Dilemma. Vermögensteuer taucht nur als Fussnote auf, nach dem Motto: Vermögensteuer ist Parteilinie, aber in der nächsten Legislatur nicht zu schaffen, haltet aus, wir bleiben dran.
Hm.
Ich weiß schon wie es laufen wird, wenn wir das auf dem Bundesparteitag diskutieren, denn das werden wir. Wir sind als SPD wieder die Deppen der Nation, eben weil wir diskutieren. Folgende Szenarien sind vorstellbar:
1. Wir beantragen auf dem Bundesparteitag die Vermögensteuer mit im Wahlprogramm zu berücksichtigen und gewinnen die Abstimmung.
Konsequenz: Medial wird es heißen, Martin Schulz hätte seinen ersten Dämpfer von der Basis bekommen, er hätte sich als Kanzlerkandidat mit seinem Steuerkonzept nicht gegen die eigene Partei behaupten können.
2. Wir beantragen auf dem Bundesparteitag die Vermögensteuer mit im Wahlprogramm zu berücksichtigen und gewinnen die Abstimmung nicht.
Konsequenz: Es wird medial heißen, die Basis ist unzufrieden mit dem Konzept von Martin Schulz, und es gibt erste Zerwürfnisse zwischen Partei und Kanzlerkandidat.
3. Wir beantragen auf dem Bundesparteitag nicht die Vermögensteuer mit im Wahlprogramm zu berücksichtigen.
Konsequenz: Es wird medial heißen, die SPD ist nicht konsequent genug, man hätte mehr erwartet und ob es wohl wirklich Ernst gemeint ist mit dem Thema Gerechtigkeit, wenn die Vermögensteuer nicht gefordert wird.
Eine loose-loose-loose-Situation.
Und nun sitze ich hier, einen Tag vor dem Bundesparteitag, und mache mir Gedanken darüber, ob ich auf dem Bundesparteitag für die Vermögensteuer mobilisiere, damit sie ins Regierungsprogramm kommt.
Als Leiterin des AK Steuerpolitik. Als ASF-Bundesvorstandsmitglied, die auf einer Wertekonferenz der Arbeitsgemeinschaften den Workshop Steuerpolitik geleitet hat, auch da haben wir beschlossen die Vermögensteuer ins Wahlprogramm zu nehmen.
Und das ärgerliche daran ist, es ist nicht mal ansatzweise, weil ich dem Steuerkonzept von Martin Schulz nicht zustimme. Das ist super so. Plus Vermögensteuer, den Punkt sehe ich halt anders.
Nein, es ist nur, weil das Konzept bereits verkündet ist, und man jetzt nicht mehr unbelastet darüber diskutieren kann, ohne das jemand verliert. Wie unnötig.
Wenn es aber so ist, dass es -egal ob man für die Vermögensteuer spricht oder nicht- dazu kommt, dass es negative Schlagzeilen dazu geben wird, dann muss es sein wir in der reinen Lehre:
Wir diskutieren über Inhalte und Haltungen, egal woher der Wind weht. Haltung zeigen heißt, bei der eigenen Überzeugung bleiben, und die ist nunmal: Ich finde wir brauchen eine Vermögensteuer! Jetzt!
Und dann muss man das auch diskutieren, obwohl es medial zu Lasten von Martin gehen wird.
Daher, hier schon einmal, einen Tag vor der Diskussion und einen Tag vor allem was da passieren mag:
Das Steuerkonzept was vorgestellt wurde ist großartig.
Unser Kanzlerkandidat Martin Schulz ist der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit und hat meine Zustimmung zu 100%.
Ich will diskutieren, ob wir Vermögensteuer jetzt schon ins Wahlprogramm nehmen sollten, oder eben nicht.
Dazu gibt es Argumente, und jetzt ist heute früh nur noch die Frage, ob ich die morgen auf dem Bundesparteitag als Flugblatt verteile…